Sudetendeutsche Landsmannschaft SL-Bad Homburg v.d. Höhe

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Zwangsarbeit

Material zur Zwangsarbeiterfrage:

Tschechische Arbeiter-Migranten ins "Reich" gab es schon immer. Interessant sind aber besonders die Zahlen nach der Protektoratserrichtung. Informationen aus erster Hand gibt Dr. Wilhelm Dennler, ein gebürtige Schwabe, der im Amt des Reichsprotektors zwischen 1939 und 1945 für die Rekrutierung tschechischer Arbeitskräfte zuständig war. In einer "Sonderveröffentlichung des Reichsarbeitsblattes" (Berlin 1940) gibt er die Zahl der Arbeitslosen zu Beginn des Protektorats mit 92.849 an, von denen überhaupt nur die Hälfte die geringe monatliche Unterstützung von 100 Kronen bezog. Für die "unsichtbare Arbeitslosigkeit" legte er noch einmal die gleiche Zahl zugrunde. Da die Schaffung neuer Arbeitsplätze durch Boykottmaßnahmen des Auslandes erschwert war, bot sich der Einsatz im "Altreich" an. Dr. Hacha stellte ausdrücklich fest, daß dies das beste Mittel sei, den tschechischen Arbeiter mit den Errungenschaften der deutschen Sozialpolitik bekanntzumachen und ihm bisher "nie gekannte Einkünfte" zu ermöglichen. Als im März 1939 deutsche Werber 20.000 Arbeiter suchten, meldeten sich 50.000, von denen 30.000 unter Vertrag genommen wurden (Dorfbote, 13.5.1939, Erscheinungsort Budweis, Auflage 40.000). Bis zum 10. Mai 1940 gelang es, insgesamt 120.000 tschechische Arbeiter und Angestellte anzuwerben. Die von ihnen transferierte Lohnsumme von 92.225.073 Kronen stellte einen deutlichen Wirtschaftimpuls für das Protektorat dar. Von Anfang an wurde die kulturelle und religiöse Betreuung der im Reich Tätigen ernst genommen, es gab sogar eine eigene Zeitung für sie. Dr. Dennler verfaßte 1953 über seine Erlebnisse in Prag das Buch "Böhmische Passion", das wie ein Tagebuch aufgebaut ist und weitere Einblicke in seine Arbeit gewährt:



November 1939: "Die tschechischen Arbeiter drängen sich zur Arbeit in Deutschland" (S. 12).

Januar 1941: "Nach wie vor drängen die tschechischen Arbeiter ins Reich" (S. 41).

Juli 1941: Dr. Dennler und der Minister Dr. Klumpar von der Protektoratsregierung reisen im Sonderzug nach Deutschland, um sich von den Lebensverhältnissen der tschechischen Arbeiter vor Ort zu informieren. Zur Begleitung gehören tschechische Gewerkschaftler und mehrere deutsche und tschechische Beamte. Man stellt übereinstimmend fest, daß die Probleme des Arbeitseinsatzes "in jeder Hinsicht befriedigend gelöst" sind (S. 52 f.).
April 1942: Die Anforderungen des Reiches an Arbeitskräften, besonders in der Luftwaffenfertigung, steigen ständig. "Vorläufig sind wir noch in der Lage, den Bedarf im Wege freiwilliger Anwerbung zu decken" (S. 73).
Juli 1943: "Zu unserer Überraschung hat der Widerwille der Tschechen gegen eine Beschäftigung außerhalb des Protektorats neuerdings wieder merklich nachgelassen" (S. 105).
Juli 1943: Es wurde eine Dienststelle eingerichtet, die in allen Teilen des Reiches kontrolliert, ob die vereinbarten Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Auf Grund ihrer Berichte wurden eine "umfassende" seelsorgerische Betreuung der Arbeiter durch tschechische Geistliche, eine "umfassende" Versorgung mit Büchereien sowie "unzählige" andere Verbesserungen sichergestellt. Verschiedene erstklassige Ensembles tschechischer Künstler unternahmen ausgedehnte Tourneen zu den Einsatzorten, um die kulturelle Verbindung mit der Heimat aufrechtzuerhalten (S. 106).



Dr. Dennler wurde bei Kriegsende inhaftiert und kam 1947 frei. Obwohl im letzten Kriegsjahr der ganze männliche Jahrgang 1924 "dienstverpflichtet" wurde, forderte niemand seinen Kopf. Einer jener dienstverpflichteten jungen Tschechen bestätigte nach dem Kriege sogar Dr. Hachas oben zitierte Worte: "Wir haben in Deutschland gesehen und selbst erhalten, was wir als Arbeiter zu fordern haben. Deshalb gehöre ich auch keiner der alten Parteien an, sondern bin Kommunist." (Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen, München 1951, S. 22). Insgesamt sollen zwischen 1939 etwa 600.000 Tschechen für kürzere oder längere Zeit im "Reich" eingesetzt gewesen sein, niemals aber mehr als 286.663 Personen gleichzeitig, was durch die Rotation der Arbeitskräfte in Abhängigkeit von der Dauer der Arbeitsverträge bedingt war (Karny, M., Der "Reichsausgleich...", Essen 1991, S. 81). Bestätigungen dieser Ausführungen enthalten: "Metro", 11.10. 1999; "Tyden", 3.4.2000 und Mastny, Voitech, The Czechs under Nazi-Rule, 1971, S. 80 f.


P.S.: Dennler macht in seinem Buch “Böhmische Passion” auch Angaben zu Massengräbern und Hinrichtungsstätten für Deutsche, z.B. S. 252, S. 254, S. 260 usw.


Anhang:

Leserbrief des Herrn J.Z. in "Metro" vom 11.10.1999:

"Ich bin totaleingesetzt worden in Deutschland in den Jahren 1943-1945. Ich erlebte die Bombardierung von Hamburg. Wir Tschechen waren dort nicht als Gefangene oder Häftlinge, wir konnten uns frei bewegen, besuchten Kinos und Theater. Ich hatte dort eine Freundin, in deren Familie ich gut aufgenommen wurde, obwohl ich Tscheche bin.


Auf einer Versammlung der ehemaligen Totaleingesetzten in Prag protestierte ich gegen die Forderungen auf Entschädigung und wurde dafür beschimpft. Eine Entschädigung steht nur Gefangenen und Häftlingen zu, wir Totaleingesetzten bekamen für unsere Arbeit im Reich ein Gehalt.


Ich schäme mich für das Fernsehen, das Aufnahmen aus Auschwitz ausstrahlt und diese als Unterkünfte für Totaleingesetzte präsentiert. Machen wir endlich Schluß mit solchen "Ansprüchen" und Forderungen. Wir sollten nichts fordern, was uns nicht zusteht! Machen wir aus uns keine Häftlinge und Gefangene! Hören wir auf zu lügen!



Allain Robbe-Grillet als Dienstverpflichteter bei MAN


Obige Darstellung wird von dem Franzosen Robbe-Grillet, Hauptvertreter des Nouveau roman, bestätigt: `Ich hatte trotz der Härte des Schichtdienstes nicht das Gefühl, Zwangsarbeit zu leisten. Ich bekam den gleichen Lohn wie die Deutschen und wurde nie bösartig behandelt....Abends ging ich ins Konzert`.  (Spiegel, 45/2001, Seite 236 ff.)  weiterlesen...

 
 
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